Sonntag, 17. August 2008

wie im maerchen

ich moechte euch eine geschichte erzaehlen! sie handelt von den zwei kindern r und l, die ein großes abenteuer wagten. alles begann in freiburg, wo sie brav zur schule gingen. das heißt, sie beugten sich dem druck derer, die sie an ihrer eltern statt aufbrachten in einem internat eines namhaften alternativschulmodells. ihre eltern kuemmerten sich nicht um sie, r hatte keine oder war weggelaufen, l’s vater jettete als konsul in deutsch-russischen angelegenheiten durch die welt und kuemmerte sich nicht mehr um sie, als repraesentative betraege zu ueberweisen und zweimal im jahr auf ein essen zu bestehen, zu dem sie die zuechtige tochter zu mimen hatte. eine mutter hatte l nicht mehr.

l wollte weg, um es allen zu zeigen. r war es egal, aber er liebte l. liebte l wie die zwerge das schneewittchen, denn sie war von schoener gestalt, feingliedrig, sie trug lange dunkelbraune haare und ein sanftes gesicht, darin zeichnete sich bereits eine spaetere markantheit ab. r war klein, staemmig, sein haar bereits duenn oder geschoren ueber dem knochigen schaedel, auf dem das leben einige seiner unangenehmeren szenen geprobt hatte, er war 19.

l wuerde in drei monaten volljaehrig sein, dann koennte ihr niemand mehr etwas erzaehlen. bis dahin wuerden sie laufen, gegen die zeit und gebieterischen organe des erziehungsstaates, in dem sie seit langem einsam waren. eine woche trampten sie an der landstraße, aßen aus dosen und schliefen im graben. die autobahn mieden sie, polizei. dann mit dem LKW in die große stadt, jenes gewaber aus lebensarten, in dem noch jede kreatur eine nische fand und zu ihresgleichen, wie unwuerdig sie auch dahinvegetierte; kuenstler, gaukler, arme traeumer, die straße den hunderten ein wohnzimmer, kuehlschrank, kleiderkammer; wo dienstags die kinder und mittwochs die alten eier gegen das rathaus feuerten und fahnen verbrannten, hass in den augen, parolen schrien, die stadthalter hinter den herrschaftlichen fensterlaeden angewidert die oberlippe krauszogen; wo der zahnlose poebel den ton angab und die ordnungskraefte sich bemuehten, no poner mas gasolina en el fuego: piratenstadt barcelona!

piraten hatten ein haus gekapert, el teatro nannten sie das verkommene flaggschiff der unterwelt, es aechzte unter seiner verdorbenen crew. der kapitaen erkannte in r seine verwegenheit frueherer tage, auch er ein runaway, bodenakrobat, zum kraftstrotzenden totenschaedel geschrumpft. er goennte seiner verrohnung eine auszeit, erlaubte sich so etwas wie vaeterlichkeit fuer die kinder, welche nicht mehr hatten als sich selbst. sie brauchten nicht mehr, keine drogen, dosenfraß. r spielte gitarre in der straße, l tanzte und sang, schoene boheme. wenn sich polizei naeherte, versteckten sie sich.

braune lederschuhe, dunkle jeans, ein cordsakko; blonder stoppelschnitt, michelgesicht. ruettelte an der dreifachen kette gesicherten schwingtuer, die ins innere des verruchten hauses fuehrte. weckte mich auf, ach ihr sprecht deutsch durch die kette. wachen augen, dummes gegrinse, 23 und hamburger student, wollte ja schon immer ein besetztes haus sehen, forschende blicke, dann diese party, da wollte er mal schauen: 500 der kaputtesten rasta links drogen bummler wenn du das system zerstoeren willst fang bei dir selber an, rauch zum schneiden, eine kippe, einen joint, koks auf allem, das ueberlackiert; los lavados uebergelaufen, liter urin in den rinnsteinen der altstadtstraßen; drinks aus dosen und plastikbechern, gierige augen zaehlen große scheine in der kueche, der boden feucht und raschelnd wie herbstlicher waldboden, nur muell und getraenke; piraten kriechen gollumstyle herum, durchwühlen den sumpf nach - geld! rauchen dreckbrocken aus dem morrast, das konnte alles sein.

polizei! der deutsche suchte l! sie waren in der stadt, dumm von dort elektronische post zu versenden. sie liefen. mit zahnbuerste und geld liefen sie in die berge, zwoelf kilometer in den morgen. el castillo, la casa de gaudi en las montanas, ein squat. sie wagten sich nicht zurueck in die stadt, wo ihre rucksaecke standen, spanische polizisten hatten sie schon immer angeschaut, patroullierten staendig vor dem tor, 5 zentimeter massives holz, eisenverschalgen, schwerer zugbalken dahinter. angst vor der begleiteten rueckkehr nach deutschland, paranoia, verfolger ueberall.

einmal besuchte ich sie in den bergen, erschoepft, sie gingen alles zu fuß, die zuege, stationen, die kameras. r besorgte die dinge in der stadt, sein maedchen blieb im versteck. einmal kamen sie noch ihre sachen holen, neunzig liter armeebeutel tapferer zwergenruecken, und die gitarre. glueckwuensche, ein kuss von m, da lief ein maerchen hinaus an die straße, valencia, sevilla, die welt!

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