Dienstag, 11. August 2009

ende gut, alles leicht.

jetzt habe ich es durch, diese unertraegliche leichtigkeit. episodenhaft, mit viel scharfsinn und noch mehr philosophischem dazwischengequatsche kunderas. ihm werden wir das nachsehen, wenn er dafuer den finger wenigstens nicht tiefer in unsere mittelmaeßigkeit und gar in jene unseres selbsgefaelligen weltverstaendnisses bohrt.

ich habe auch so eine teresa, d heißt sie bei mir, auch sie versteckt ihre seele zwischen den daermen und wartet still, bis jemand die mannschaft an deck ihres koerpers ruft, damit sie die paradewimpel hissen. und in punkto eifersucht ist sie noch einen zacken schaerfer als teresa, obwohl ich unwuerdiges fremdgehwuerstchen einer solchen extrabehandlung gar nicht wuerdig bin.

das ausmaß einer ausschweifung, wie wir lernen, tut dafuer nichts zur sache, es unterhaelt nur eben und fuellt seiten, die dann wahrscheinlich fuer erotische kunst erklaert werden koennen, literarier wollen auch von etwas leben und faecheln sich wissend ihr zubrot zu.

ich waere gern tiefer eingetaucht in die welt von tomas und teresa, haette sie nicht nur in einer aneinanderreihung von schluesselszenen, sondern auch mal im urlaub, am strand (wohin sie nie kamen), in einer ruhigen minute (von denen ihr aufgewuehltes seelenleben ihnen noch die letzte stahl), zumindest aber einmal ausgeglichen erlebt, beide fuer sich und miteinander.

amour fou.

auf und ab, kreuz und quer durch die von identitaetshoehenlinien zerfurchten lande, und ja nie niemals einer meinung, wir kennen das schon. ich waere ihnen gern naeher gekommen, als kunderas nuechterne analysen das erlaubten, aber als autor ist es seine pflicht, seine kreaturen vor der allzu gefuehlsbeduselten sensationssucht eines millionenpublikums zu schuetzen und ihnen jenes recht auf intimitaet zu sichern, das er gerade durch die uebertrieben ruecksichtslose schilderung ihres privatlebens zu verletzen scheint, die leser aber im grunde mit dem skandaloesen blendet und sie vom eigentlich schuetzenswerten zwischen tomas und teresa fernhaelt.

dass du mir treu bist. wirst du es sein? ich werde mir alle muehe geben, und schon darin liegt mein scheitern begruendet, wenn wir aus dem paradies verstoßen wurden, wenn wir dem kitsch und der wiederkehr nachhaengen und das goettliche vor lauter scheiße vergessen, wenn uns rosettenmuskeln und die erniedrigung mehr erregen als eine liebe, die nicht fordert und nicht fragt, während wir die tiere, unsere letzte verbindung in das verlorene paradies, verachten und versklaven.

ich wuensche mir eine welt der leichtigkeit, in der das beethovenschwere "es muss sein!" von dannen grollt wie ein abendgewitter, das sich ueber europa abgeregnet hat. doch die dummheit zieht weiter, zieht mit dem groll und unterwirft sich tschechien, kambodia, die welt. in roten, blauen und weißen roecken tanzen die maedchen parolen, großer marsch statt osterspaziergang, und die traeumer (vierte und seltenste kategorie) trotten mit, ohne dabeizusein. wer sich auf der toilette einschließt, um sie alle nicht sehen zu muessen, verraet sich selbst und muss fortan von verrat zu verrat leben, gen westen und der leere nach.

nein, einen protagonisten gebaert man nicht aus einem konzept, einem vorsatz, einem plan: er entspringt diesem gefuehl eines unvollendeten gedanken, ruft seine freunde zusammen und beginnt seine eigene handlung, indem er jene moeglichkeiten durchlebt, die der arme autor verworfen hat (zeichnet doch auch er nur eine kurve entlang des geradlinigen zeitenstrahls, auf dem er nie die konsequenzen einer entscheidung erleben wird, die er ausgeschlagen hat).

alles, was er erlebt hat, und sei es noch so pedantisch dokumentiert (meine herren, ich danke ihnen schon einmal im voraus im namen aller zukuenftigen historiker und literaturwissenschaftler!), kann in seiner summe nicht im mindesten erklaeren, vorhersagen oder bestimmen, was tomas und teresa, geboren aus einer trostlosen wand in einem prager hinterhof und aus einem pechbestrichenen koerbchen, das man schutzlos auf dem großen fluss ausgesetzt hatte, nicht im mindesten jedenfalls vermag kundera aus seinem leben zu begruenden, welch verzehrende liebe diese zwei aneinander durchleben dürfen, müssen und durch seine worte ueberhaupt erst können. er muss sie bestaunt und bewundert haben, bis er leichten oder schweren, jedenfalls lächelnden herzens unter das manuskript tippte: ende.

scheiß venedig

in modernen badezimmern wachsen die klosettbecken wie die weißen blueten der seerosen aus dem boden. der architekt tut alles, um den koerper sein elend vergessen zu lassen, und man weiß nicht, was mit den abfaellen aus den eingeweiden geschieht, wenn das wasser aus dem reservoir rauschend darueber zusammenschlaegt. obwohl die roehren der kanalisation mit ihren fangarmen bis in unsere wohnungen reichen, sind sie sorgfaeltig vor unseren blicken verborgen, und wir wissen nichts vom unsichtbaren venedig der scheiße, ueber dem unsere badezimmer, unsere schlafzimmer, unsere tanzsaele und unsere parlamente erbaut sind.

m. kundera, die unertraegliche leichtigkeit des seins

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