Familie Ningelnich auf großer Fahrt

In den Rollen:

Vater Stress
Mutter Panik
Älteste Tochter Alleine
Mittlere Tochter Wehmut
Jüngster Sohn Heimweh
Sowie die Schildkröte Depri


Erster Akt: Equal goes it loose!

“Hast du deine Kotztüte?”, schnauzt Vater Stress über den Hof. Der kleine Heimweh blickt verschüchtert auf zu Mama Panik, die weint. Er läuft zurück in das Haus und versteckt sich hinter dem Wäschekorb. Seine älteste Schwester Alleine bringt die Tüte, steigt in den Wagen und schlägt die Autotür hinter sich zu. Die jüngere Wehmut steht zögernd am Rand, so als fiele ihr trotz angestrengten Überlegens nicht ein, was sie vergessen hat. „Wir können doch Depri nicht hierlassen!“, wimmert sie schließlich. Papa Stress will Luft holen zu einem finalen „Das Viech bleibt hier!“, da fällt ihm Mutter Panik an die Brust: „Aber mein Stress, hast du denn kein Herz?“
Papa Stress presst ein „Nein!“ durch die Zähne, verfrachtet dennoch die Kiste mit dem Tier auf die vollgestopfte Hutablage, denn nichts ist unerträglicher als einer von Wehmuts berüchtigten Heulkrämpfen. „Eingestiegen!“, brüllt er, und setzt verärgert hinzu: „Wo ist denn Heimweh wieder hin, eben war er doch noch da?“ Es folgt eine nervenaufreibende Suche unter Vater Stress’ rollenden Augen. Nur Alleine hat sich hinter dem schwarzen Scheibenrollo verschanzt. Sie hält Depri auf dem Schoß, hört Musik aus ihren Ohrstöpseln und starrt in das Nichts, bis sich eine reichlich verstimmte Familie Ningelnich in der beklemmenden Fahrgastzelle versammelt hat und ihrem Urlaub entgegensteuert.


Zweiter Akt: Jetzt fahrn wir übern See, übern See, jetzt fahrn wir übern – Fluss!

„Haltet die Schnauze, ich muss mich konzentrieren!“
„Wie weit issisn noch?“
„Du Stress, die Kinder brauchen ne Pause.“
„Alleine, mach die Musik leiser, sonst komm ich hinter!“
„Depri atmet nicht!!!“
„Mir is kalt.“
„Mensch Stress, willst du nicht mal anhalten?“
„...mit einer hölzern Wurzel, Wurzel, Wurzel, Wo-ho-zel...“
„Ich muss auf Klo.“
„Hört auf zu singen da hinten!“
„Heimweh kotzt gleich.“
„Iiiieeh!“
„Papa, sind wir schon da?“
„Ach Stress, wir haben doch Urlaub.“
„...ein Ruder war nicht“ – „Dran.“
„Falsch, du Idiot, erst beim nächsten Mal.“
„Selber blöde Kuh.“
„Ich willn Eis.“
a. i.

Dritter Akt: Enjoy your stay!

Papa Stress rammt den letzten Pflock des Windschutzes in den Sand. Alleine liegt bereits auf der Decke und hört Musik, Mama Panik gräbt die Kühlbox ein. „Alleine, lieg hier nicht so faul herum, du kannst auch etwas tun. Crem deinen Bruder ein!“ Der kleine Heimweh sitzt unbeachtet mit nassem Schlüpfer in der Brandung und heult, Wehmut ist Muscheln suchen gegangen.
„Ja sag mal, muss man hier alles allein machen mit zwei fast erwachsenen Töchtern? Alleine!“ Stress reißt ihre Ohrstecker heraus und erntet einen verstört-erzürnten Blick: „Was willst du, Stress?“ „Für dich immer noch Papa Stress!“ Mama Panik wendet sich mit erschrockenem Gesicht ab, als ihr Mann eine Maulschelle in Richtung Alleine antäuscht, da entdeckt sie den verlassenen Heimweh am Meer. „Ja wirf wieder Sand auf die Decke“, motzt Alleine, als Panik gen Wasserkante sprintet.
Wehmut kehrt humpelnd zur Decke zurück, sie hat sich eine Scherbe eingetreten und zerfließt unter Tränen, vor Schock bringt sie keinen Laut heraus. Alleine kreischt, denn sie kann kein Blut sehen, sie wird ganz bleich. Mutter Panik sieht sich zwischen zwei heulenden Kindern hin- und hergerissen, ihre Unfähigkeit zu helfen, löst sie vollends auf: „Stress, das Kind muss ins Krankenhaus!“ – „Quatsch, den Splitter zieh ich dir so raus.“ Wehmut verweigert stumm die Behandlung, ihre Nase läuft. Heimweh hat sich in Paniks Schoß beruhigt, er futtert eine handvoll Sand und spuckt nach Alleine. Panik tröstet Wehmut, während Vater Stress die Wunde säubert. Er zieht an der Scherbe und schreit lauter als die Verwundete: „Hab ich dich!“ Mit einem unvorsichtigen Schritt tritt er Sand in die Kühlbox, aus der sich Alleine unterdessen bedient: „Toll, Papa Stress.“ Heimweh pullert auf die Decke, Panik reißt ihn zur Seite. Wehmut will heim.

Vierter Akt: Und als wir drüber war, drüber warn, und als wir drüber warn

„...da sangen alle vögeln, vögeln, vögeln, vö-hö-geln...“
„Panik, wo hat der Junge das her?“
„Heimweh, du hälst jetzt sofort den Mund, sonst geht’s zu Hause gleich ins Bett!“
„...ein jeder Vogel sang.“

Fünfter Akt: Home sweet Home

Knirschend hält der Wagen im heimischen Hof. „Da kann man auch mal ‚Danke, Papa’ sagen“, entrüstet sich Mama Panik, nachdem der Motor verstummt ist. „Danke, Papa“, ertönt es maulig im Chor. Papa Stress springt geladen aus dem Auto und verheddert sich im Gurt: „Mit dieser Familie gehe ich noch mal auf Reisen...“ Mama Panik erkundigt sich spitz, weshalb die Mädchen seit Fahrtbeginn bocken. „Wir wollten noch bleiben“, schmollt Wehmut, und Alleine setzt ihren frostigsten Blick auf unter den Ohrenstöpseln: „Immer bestimmt ihr, wo es langgeht, ich habe das satt.“ „Dann werd achtzehn und buche deinen eigenen Urlaub, dann kannst du machen, was du willst!“, brüllt Vater Stress in die offene Fahrertür, während er zerquetschte Mücken von der Windschutzscheibe wäscht. Heimweh taumelt bleich in Paniks Arme, als sie ihm die Tür entriegelt. „Will ins Bett“, sind seine einzigen Worte, bevor er an ihrer Brust einschlummert. Widerspenstig tragen die Mädchen das Gepäck zum Haus, als Alleine plötzlich schreit wie am Spieß. Ihr Gezeter weckt Heimweh, erschreckt Mutter Panik zu Tode und lässt Wehmut auf der Stelle erstarren. Entnervt feuert Vater Stress den Wischlappen zu Boden: „Was ist denn nun schon wieder los?“ Er schüttelt Alleine bei den Schultern, die schluchzend hervorstammelt: „Wir haben Depri vergessen!“
sternenwanderin - 6. Jan, 18:14

*lach* da wird man ja schon allein durchs lesen gestresst! Aber kommt mir verdammt bekannt vor, gut getroffen.
Und gut geschrieben, gefällt mir :)


Danke für deinen Kommi bei mir, hat mich gefreut :)

sallypoppins - 7. Jan, 18:54

Ich würd gern nen Kommentar abgeben, nur fällt mir nichts besonders Konstruktives ein.

Liest sich auf jeden Fall sehr flüssig und unterhaltsam. Nur stört mich irgendwie die plakative Benennung der Figuren. Wobei die Geschichte dadurch ja eigentlich funktionieren soll. Täte sie aber vielleicht auch anders. Oder auch nicht.

Bäh, kennst du das, wenn man ein Gefühl im Bauch hat, es aber ums Verrecken nicht artikulieren kann? Ich könnte mich dann immer treten... So wie jetzt grad. ;-)

ruebefrei - 9. Jan, 16:47

au mann, die autodestrublablabla... ja, bei mir heißt das gefuehl "sich ein haar von der zunge pulen". also, der text gehoert in die kleine reiseapotheke, 6 geschichten, 6 stile, an einem tag heruntergeschrieben fuer einen freund, der bald auf weltreise geht. in den texten habe ich auch meine gedanken an ihn verarbeitet.

wenn du mir hier eine anonyme email adresse hinterlaesst, schick ich dir das buechlein mal zu...darin wollte ich einfach was schreiben, das auch negative reiseerfahrungen zusammenbringt. zuerst dachte ich da an "heimwehs kindergeburtstag".

ich find die figuren schon lustig... muss man denn alles alleine machen? Alleine!...

ich hoffe, dass das den betreffenden herrn etwas aufheitert unterwegs...

Zufallsbild

carrie

User Status

Du bist nicht angemeldet.

stats


bild
freunde
fusion
hit the road
liebes tagebuch
life
politik
schoenes
sex
tiefes
ton
untiefes
wort
zynisches
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren