vater hier, mutter dort

ich hab mich das schon eine weile nicht getraut zu schreiben, aus verschiedenen gruenden: zum einen und immer noch wichtigsten will ich mein nest nicht beschmutzen. zum zweiten ist das sehr persoenlich und darum schwer, wirklich ernsthaft und in einer form auszudruecken, die ich im netz vertreten kann.

say, jeder denkt ueber seine eltern nach. und findet dabei vermutlich tausend schlimme dinge, die ersie so nie selbst, jedenfalls anders, und wenn es geht besser machen wird. ich erinnere eine zeit, als ich so 16,17 war, da beoabachtete ich meine eltern, um von ihnen das miteinander zu lernen. das hatte ich natuerlich vorher schon 16,17 jahre getan, aber neu war mein bewusstsein dafuer, und vor allem fuer das, was ich da lernen wollte: wie man liebt.

ja, ich hasste mich dafuer, bei ihnen schauen zu muessen, und zwang mich, es nicht zu tun: keine identitaet an dieser stelle war besser als die eindruecke von nichtachtung und gewalt. nur wogegen man sich am staerksten wehrt, verinnerlicht man gerade deshalb am tiefsten: durch die angst.

ich habe der gewalt ja nicht als unbeteiligter zugesehen: oft genug richtete sie sich gegen mich. damit stand ich direkt in ihrem bann und lernte nicht nur das was ich sah, sondern fuehlte es gleichzeitig mit.

ich hatte schon frueher begonnen, mich davor zu verschließen. mit sieben brachte ich mir das tagtraeumen bei. in oben beschriebenen alter hatte ich meine gesamte gefuehlswelt in die traumebene verfrachtet und lief als tote huelse umher, aus der niemand mehr schlau wurde, let alone ich selbst.

nun weiß ich, dass ich meinen koerper an dieser stelle aufgegeben hatte. ich ließ zu, was immer man mir anzutun gedachte und trug die schmerzen in meine traeume. man war hauptsaechlich mein vater, der auf gefuehlsaueßerung von mir lauerte, um sie anzugreifen, der jedes zeichen eines willens, eines wachsenden selbst zerstoerte und mir seinen willen aufpflanzte.

mit achtzehn hatte ich erste koerperliche symptome wie gelenkschmerzen, nervoeses zucken. ich fuehlte mich tot unter den lebenden und aueßerte nichts, wollte nichts, lebte in einem zustand voelliger apathie und wurde darin belohnt: mein vater ließ mich in ruhe.

was tat meine mutter all die zeit? wenn sie nicht gerade in die arbeit floh oder ihre angst in zwaengen erstickte, wenn sie nicht gerade fuer außenstehende die heile welt herbeiredete (ein gebot im uebrigen, auf dessen missachtung die hoechststrafe stand: niemand hatte etwas aus der familie zu erfahren!), wenn meine mutter also mit ihren geistigen kraeften verfuegbar war, hielt sie den haushalt zusammen und bezog aus ihrer existenziellen rolle ein wenig selbstbewusstsein.

ihre liebe zu mir fand nur umwege, und ich lehnte sie ab. zum einen wollte ich sie schuetzen vor den angriffen meines vaters: wenn er mitbekam, wie meine mutter sich um mich kuemmerte, bestrafte er sie. zum anderen wollte ich, dass sie die kaelte nachempfindet, zu der mein vater mich zwang. auf diese weise nahm er mich ihr weg und sie mir, denn niemand darf etwas besitzen, dass er nicht hat: meine eltern lieben sich nicht.

ich fuehlte mich schuldig daran. und wer die schuld hat, muss sie tilgen. fortan ging meine wiederkehrende kraft dafuer drauf, anderen (ungefragt) zu helfen, sie mit rat und tat zu bedenken, wann immer sie unzufrieden wirkten. weil bei meinen eltern nichts zu machen war, lernte ich, das leid anderer zu antizipieren, zu entschluesseln, zu verstehen, entschuldigen, lindern. ich fuehlte mich verantwortlich dafuer und draengte mich auf.

meine beziehungen sind gepraegt von schuldgefuehlen. mich verliere ich darin, denn in meinem empfinden habe ich kein recht darauf, geliebt zu werden, ich muss mich aufopfern, um gleichwertig zu sein.

wegen staendiger depressionen war ich diesen herbst drei monate in einer klinik fuer psychotherapie. in dem therapeutischen milieu konnte ich spueren, wie unmittelbar eine depressive phase durch ein ereignis ausgeloest wird, in dem ich meine gefuehle hinter die angst zurueckstelle, andere damit zu belasten oder zu stoeren. ich habe gelernt, dass ich mir ueberall elternfiguren schaffe und von ihnen abhaengig werde, mich an ihnen immer wieder enttaeusche.

natuerlich wuensche ich mir von meinen eltern nach wie vor die liebe, die sie mir vorenthalten haben. damit bleibe ich in der kinderrolle und abhaengig von ihrer willkuer.

es faellt mir schwer zu verstehen, dass ich allein bin, dass ich nie von ihnen geliebt werden kann, und ihnen ohne diese erwartung zu begegnen. ihnen ueberhaupt zu begegnen, vorwurfslos, wie einem aelteren paerchen, das man kennt und freundlich grueßt.

und zu glauben, dass nicht alle so sind wie sie.

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