Montag, 19. Dezember 2011

Ach da bist du, du lange, kurze Zeit.

man denkt, man haette das hinter sich. man kleidet sich sauber, steht frueh auf, man grenzt sich ab von poebel und gesocks. und nur ein musikant in der bahn braucht das richtige lied zu singen, da nickt man wieder mit dem kopf zu den schweren molls, da zieht man die augen zusammen und singt leise mit: macht euch dochn bier auf, badadadam, und rauchtn bisschen gras. macht euch nen schoenen abend, euch goenn ich das..

Sonntag, 18. Dezember 2011

der schluessel und der herd

ich habe nun endlich auch verstanden, wieso manche leute immer panisch befuerchten, sie koennten den herd angelassen haben. mit dem vermeintlich vergessenen schluessel eine super kombination, wenn man die wohnungstuer ins schloss zieht.

aeußere sicherheit und innere kraft, und das gefuehl, beide nicht kontrollieren zu koennen.

Ich bin die stumme Leidenschaft,
Im Haus ohne Herd, im Krieg ohne Schwert,
Und krank an meiner eigen Kraft.

[Hermann Hesse]

Freitag, 16. Dezember 2011

Wir haben zu reden

über Christa Wolf, mit ihr, wenn man es genau nehmen will. Sie ist hinabgestiegen in das Reich des Todes und hat ihre Bücher hiergelassen, in denen sie diesen Gang bereits zu Lebzeiten aufs schmerzvollste ausgeleuchtet hat.

Kinderknochen liegen dort unten, das hatte sie in dieser Schrecklichkeit nicht erwartet, und doch gespürt: Was im Verborgenen liegt, drängt dumpf und mahnend an unser Bewusstsein. Auch andernorts gräbt man Leichen aus, es scheint, als müssten sie erst ruhen wie ein Teig, bis man ihnen gegenüber Rechenschaft ablegt.

Wie lange muss man warten, ein Jahr, ein Jahrzehnt, bis die Täter entkommen, debil, nicht mehr straffähig sind? Bald dreitausend Jahre vergingen, bis sich eine ein Herz fasste und mit Medea hinunterstieg. Zuvor musste Christa Wolf selbst am Pranger stehen für ihren Willen, ihre Kraft und Menschenliebe, musste sich zerfleischen lassen von Wölfen, die wussten: Sie hat ein Volk auf die Freiheit eingeschworen, sie wird es aufbegehren lassen, und: Fort mit ihr!

Wie das so ist, man lässt einen verstummen, und zehn Stimmen erwachen, die bis heute geschwiegen haben. Medea. Stimmen. Liest das einer, versteht man das? Nun, Deutschland leckt sich die Wunden, und kaum einer ist bereit, hinabzusteigen in die alten Folterkeller, in denen knietief die Fäulnis steht. Sie vergiftet die Brunnen, frisst die Kinder, ein Täterstaat*. Ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, habe ich gelesen, und verstehe, warum eigentlich keiner so richtig an der Bibelübersetzung interessiert war.

Hinuntersteigen in die Wiege unseres Kulturkreises, und dort Kinderknochen finden. Schreiend, zur Furie werdend, fluchend auf den König und den fauligen Staat, aus der Stadt rasen, stolpern, ihren Untergang beschwören. Wut, Wut, Wut auf diese dummen, feigen, selbstgerechten, kleinmütigen, sich selbst überhöhenden Kreaturen. Unbändiger Zorn, und das Wahren der eigenen Würde.

Ist das nötig gewesen, Medea, Frau Wolf, hätte man sich den Ärger nicht sparen können und einen trinken gehen, unten an der Hotelbar? An der Oberfläche wartet das leichte Leben, man kann seine Tage auch tanzend am Strand verbringen, warum immer wieder hinuntersteigen? - Nun, verehrtester, sie spüren es vielleicht noch nicht, doch ich sage ihnen: Es drängt.

Schwestern, ein Schutzengelgeschwader habe sie sich in der Kassandra und Medea geschaffen, die ihr nun im Totenreich zu den Seiten stehen: Christa Wolf wird mit den Augen zwinkern und lachen, Mädels, das ist nett von euch, aber ich kann für mich selbst sprechen, und im Übrigen, geht es den Kindern gut?



* Seit heute spüre ich, dass mein Großvater väterlicherseits, Feldarzt der Wehrmacht, an Kriegsverbrechen beteiligt war, wahrscheinlich gegen französische Juden. Denn stimmte es, dass er den Krieg hindurch seine Humanität wahrte, wie die Familie beteuern will: Seine kalte Grausamkeit, sein reiner Sadismus wären nicht erklärbar, die durch meinen Vater auf mich niedergegangen sind, und an denen ich massiv psychisch erkrankt bin. Ich jedoch beginne, hinabzusteigen. Ich werde kein Täter mehr.

Montag, 5. Dezember 2011

weihnachtsfriede wird verkuendet

ich bin gestern ueber den weihnachtsmarkt zwischen marienkirche und rotem rathaus gegangen, da standen 5 jungs um die sechzehn jahre und sangen dreistimmige weihnachtslieder, sehr besinnlich, manchmal etwas zu leise, wenn der krach von den lautsprechern zu laut herueberdrang.

ich dachte: warum singen die hier in einer ecke bei den toiletten, manche leute machten ihre witze ueber singende kinder, wenige blieben stehen und klatschten beifall.

die jungs hatten ihre ruhe weg in der musik, sehr kunstvolle lieder, und hörten erst auf, als die security kam und meinte sie sollen jetzt aufhoeren ohne genehmigung. es war den beiden maennern dann etwas peinlich, weil sie merkten, dass die jungs aus recht gutem hause waren und etwas von einer qualitaet darboten, die sie nicht verstanden. wir wollten den leuten halt eine freude machen, sagten die jungs und zuckten mit den schultern.

ich war sehr wuetend, und dachte, das ist mein deutschland, wo man das einzige stueck weihnacht vom weihnachtsmarkt scheucht. und: es hat sich noch einiges zu aendern, bis dieses land lebenswert wird. es war dann kaelter zwischen den gluehweinbuden und den waegen voller zuckerzeug.

Sonntag, 4. Dezember 2011

Liebe Familie Wolf,

es hat mich sehr traurig gemacht, dass Ihre Frau, Mutter und Großmutter Christa Wolf am Donnerstag gestorben ist. Mit gerade 28 Jahren gehöre ich vielleicht zu einer jüngeren Gruppe von Lesern, dennoch haben mich ihre Werke in den letzten vier Jahren berührt wie kaum ein anderer Autor es vermochte.

Da erstand sie wieder, die Heimat, die ich nur einem dumpfen Gefühl nach vermissen kann, da setzte eine mutige, keine Auseinandersetzung scheuende Frau in Worten um, was erst allmählich an mein Bewusstsein dringt: Dass wir bleiben müssen und in uns gehen, dass wir immer wieder zu zweifeln und zu hinterfragen haben, was unseren Gedanken zugrunde liegt.

Ich bewundere, mit welcher Kraft Christa Wolf ihren ganz persönlichen Diskurs mit uns Lesern teilte (und teilt), wie sie ihre intimsten Gedanken literarisch aufarbeitete und damit prüfte, ob sie vor der öffentlichen Kritik bestehen konnten. Man könnte fragen: Wenn ein Satz, eine Passage vor Christa Wolfs Selbstkritik bestand, was hatte er in der Welt zu befürchten? Dennoch scheint es, sie habe die Relevanz, die Berechtigung ihrer Worte immer wieder zu Diskussion gestellt, für sie gekämpft, sie verteidigt.

Hatte sie das nötig, und was trieb sie an, immer wieder klein zu werden vor sich und dem Publikum? In den Nachrufen ist viel von der persönlichen Beziehung zu den Lesern die Rede, entstanden dadurch, dass Christa Wolf die individuelle Gefühlswelt ins Verhältnis zu gesellschaftlichen Prozessen setzte. Nun, was im kleinen stattfindent, bildet sich im großen ab, und für mich schrieb sie aus dem tiefen Verständnis dieses Zusammenhangs.

Meine persönliche Beziehung zu Christa Wolf ist geprägt von ihrem Trotz, ihrem Unwillen, etwas zu glauben, dass sie nicht zuvor sorgfältig geprüft und an ihrem eigenen Erleben bestätigt gefunden hatte. Von ihrer Bereitschaft, immer wieder den schwierigsten Weg zu wählen, die schmerzhaftesten Fragen zu stellen, und sich mit den vermeintlich großen zu überwerfen. Von ihrem unerschütterlichen menschlichen Kern.

Sie offenbarte mir in ihren Büchern ihre liebevolle, oft ironische Spiritualität und einen starken Glauben, woran? Dass man anschreiben kann gegen Feigheit und Lügen, dass Worte gehört werden, wenn man sie ausspricht, dass es einem selten von anderen gelohnt wird, wenn man bleibt und für seine Überzeugung einsteht. Dass man auch daran wächst, Verantwortung für die eigenen Irrtümer und Unzulänglichkeiten zu übernehmen.

In einer Zeit, als ich mich identitäts -, ja heimatlos fühlte, gaben ihre Gedanlen mir neuen Boden und die Zuversicht: Diese Gefühle sind zu bändigen, und eine Heimat haben wir dort, wo wir sie gestalten. Ich habe in Christa Wolf eine Freundin, Weggefährtin und Seelenverwandte gefunden, als ich zu fragen begann, und es tröstet mich ein wenig, dass sie ihren Weg beschließen durfte, dass sie sich auf den Tod vorbereiten konnte, dass 'man' sie zu Ende schreiben ließ.

Mit Christa Wolf verliere ich einen Menschen, der wie kein anderer aus der Tiefe meiner Seele zu mir sprach. Zu ihrem Tod möchte ich Ihnen als Familie mein tiefes Mitgefühl und mein herzliches Beileid ausdrücken.

Ihr Rübefrei

Samstag, 22. Oktober 2011

ein kleines juwel

habe ich gestern sehen duerfen, das regiedebut von bogdan apetri, einem jungen regisseur aus rumaenien, der an der columbia in new york sein filmhandwerk lernte.

zum film sei gesagt, dass ich lange keinen sah, der soviel authentizitaet an den tag legte, dafuer, dass er sehr kuenstlerisch aufgezogen ist von den szenen, einstellungen. das liegt vor allem an der fabelhaften hauptdarstellerin, die so sehr in ihrer rolle aufgegangen ist, dass ihre gefuehle den film vollständig einnehmen (das soll mal einer nachmachen).

ich habe nach der vorführung noch ein wenig mit bogdan gesprochen, es war wie eine offenbarung, dass noch leute klar sehen und ihre wahrnehmung kompromisslos umsetzen. der mann hats drauf, und vielleicht kann ich mit ihm in kontakt bleiben.

wer jedenfalls die möglichkeit dazu hat und gute filme schätzt, sollte sich diesen UNBEDINGT anschauen.

aufregen

muss ich mich darueber, wie die medien gaddafis tod zelebrieren. sind wir denn noch im mittelalter, dass man sich an solchen schauprozessen freut?`

natuerlich war er ein verbrecher, und natuerlich hat man ihm im moment der festnahme ein paar kugeln verpasst, weil man ihm menschenrechte haette zugestehen muessen, haette er zeit gehabt, sich zu ergeben. einem gewissen bin laden ging es nicht anders.

aber muessen wir mitteleuropäer auf die hetze mit einsteigen? ja wir muessen, um es auch als folgerichtig zu empfinden, dass sich westliche firmen in lybien installieren und bereichern. dass wir bei den primitiven sicherheitskraefte ausbilden und demokratie und umweltschutz, man kennt ja nun langsam die rechtfertigungen für derlei wirtschaftsinvasion. und die lybier kapieren nicht, dass gaddafis mord den gruendungsakt ihres neuen staats markiert. korruption und gezielte manipulation durch den westen, die werden sich umschauen, wenn ihr bisschen euphorie sich legt.

mir tut es echt um die leute leid, die sich da reinhauen fuer ihren traum von einem freien lybien. solange sie mit westlichen waffen schießen, bleiben sie westliche kolonie.

Montag, 17. Oktober 2011

lieblingsfilm!

laengst ueberfaellig, habe ich gerade schwarze katze, weißer kater geschaut! nach so einigen filmen der letzten zeit habe ich ja das kuenstlerisch-gestellte mal so richtig satt, filme, denen man anmerkt, dass die schauspieler vertraglich festlegen, wofuer sie sich hergeben und wofuer zu schade sind. filme, die einfach nur inszeniert sind und kein bisschen leben, daher auch kein bisschen leben abbilden koennen.

und dann dieser haufen zigeuner, die einfach nur party machen, und man darf getrost davon ausgehen, dass die nach dem dreh einfach weitergefeiert haben! es gibt ja so momente, da spuert man, hier entsteht etwas, das in ein nuechternes drehbuch nicht zu fassen ist, hier verwirklicht sich ein lebensgefuehl, das wir alle teilen. und kusturica kann den leuten das vermitteln: so, jetzt hoert mal auf zu schauspielern und fangt an zu sein!

und dann das schwein, das den trabbi frist! und wie kann man so echte menschen mit der kamera einfangen und so einen geilen film daraus machen! man muss sich innen drin echt nen teufel um europa und seine kunstszenen scheren. alle daumen hoch vor begeisterung!

Montag, 3. Oktober 2011

durcheinandervoegelndes prenzelpack,

dachte ich hinterher und spuerte doch, es ist noch nicht alles gesagt. laengst nicht alles ist gesagt, und ich wuerde bloggen muessen, kein realer gegenueber haette die ausdauer, das mit anzuhoeren, und wuerde es auch kaum verstehen.

der deutsche film ist in der krise, verstrickt irgendwo zwischen schuld und stil und jener progressiv gemeinten regression, die unter perfide gepflegten hornbrillen und geheimratsecken das schlimmste aus 150 jahren deutscher geschichte wiederbelebt. schwochow und tykwer, um nur zwei vorzeige uebeltaeter zu nennen.

letzterer, unter des seligen eichingers taetschelnder hand und einigen millionen foerdergeldern mit 'das parfum' zu oskars gelangt, vergisst die grundlage ernsthaften handelns: die frage, was will ich erreichen. kein oskar der welt entbindet dich davon: was du zeigst wirkt, und diese wirkung verantwortest du, vom einfachen farbfilter bis zum entsetzlichst versauten satzmonster und grotesker selbstinszenierung deiner schauspieler bis zu laecherlichen berlineinstellungen, die sich an sich selbst verueberfluessigende kleinkuenstler sonst auf kacheln und leinwand drucken und auf den flohmaerkten und ansichtskarten verschleudern.

das alles verantwortest du mit deinem film: eine falsche, gestellte, gespielte, gelogene wirklichkeit, die nur jenen vertraut sein kann, die die cafes bevoelkern zwischen mauerpark und kollwitzkiez, selbstverliebt und tragisch verkannt. die zwischen schauspielerei und leben nicht mehr unterscheiden koennen, die sich noch im halbschlaf fragen, welche pose sie gerade einnehmen und ob sie die gewuenschten blicke auf sich ziehen. die ihre tagesform darin ausdruecken, zu welchem ausmaß sie das -en am wortende als gebundenes n sprechen.

ich bin froh, dass ich den film nicht im kino sah: tom tykwer - drei. sich eruebrigende ethikfragen, spaetgebaerendentrend, patchworkfamilientum verpantscht mit union berlin und den koerperwelten, ein bisschen tod, ein bisschen sex und viel schwachsinniges gerede: wie gesagt, ein oskar entbindet dich nicht von der verantwortung, die wirkung des gezeigten zu vertreten.

was soll man nun denken: im ueberbelichtet realitaetsfremden biotop der prenzelelite entdecken die menschen ihre tiefe trauer, die selbst ihre restlos ausgelebte kreativitaet nicht lindern kann, sie fuehlen sich einsam, unbefriedigt und wissen nicht wieso, sie haben doch immer gemacht, wie mama sagt. geld macht nicht gluecklich, wenn der sex nicht mehr laeuft, und wenn man mal hodenkrebs kriegt, muss man komplett fehlbesetzt seine hohe stirn ins portrait halten, unten ein bisschen grinsen, oben ein bisschen leiden.

kollege schwochow folgte schon in 'novemberkind' aehnlichen vorsaetzen, und leistete sich einen aehnlich fehlbesetzten maennlichen protagonisten wie tykwer, welcher einzig durch seine befremdlich tiefe stimme beeindruckte, erst den (tragisch gescheiterten) frauenversteher gab, dann an anna marie muehe herumgrabschte, und sonst aussah wie einer castingshow fuer vintage schwuchteln entlaufen.

selbstmitleid, verzerrte farbspiele, die der zwischenmenschlichen einoede auch nicht gerecht werden, schauspieler, die ihre bloße erscheinung als kunstwerk begreifen, regisseure, die nichts verwirklichen koennen außer sich selbst. der deutsche film ist in der krise, er leckt sich die wunden und macht den eiter zu geld. dass man filmisch reflektiert, indem man einfach mal zeigt, was ist, dass man drehbuecher den koepfen einfacher leute und nicht den wohlstandssorgen einer kulturelite entnimmt, dass man dem publikum ueber den roten teppich hinaus verpflichtet bleibt: ach, lassen wir das.

wie man hoert, dreht frau muehe einen, sicher sehr tiefgruendigen porno, schwochow verfilmt unterdessen 'der turm'. man darf sich also angeregt durchs haar fahren in den prenzelbars, durcheinandervoegeln, weiterdiskutieren. filmte einer, wie es wirklich aussieht in den koepfen, man muesste in die popcornmaschine kotzen.

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